Frühe Bilder
In meiner Freizeit sitze ich bis zum 15. Lebensjahr im Sandhaufen und baue Wasserwege, Hügeln, forme Landschaften und pflanze Bäume. Ich möchte in der Volksschule Werkerzieherin und später, aus Mangel an anderen Vorbildern in bildnerischen Berufen, Bildnerische Erzieherin werden, schließlich studiere ich Malerei.
Ich konnte und kann mir nie vorstellen etwas anderes zu tun als das, was ich gerade tue, auch wenn manchmal schwerwiegende Gründe dagegensprechen.
Studium
1982 komme ich nach Wien und kann nach einer mühsamen Gymnasialzeit endlich das tun, was ich möchte nämlich Zeichnen und Malen. Hier setzen die ersten Abbildungen ein und veranschaulichen ein sich vortasten, verschiedene Stilexperimente und ein intensives Suchen nach der eigenen Position. Die Hochschulzeit ist von einer Fülle persönlicher, theoretischer und bildnerischer Probleme gekennzeichnet. Dazu einige Gedanken aus dieser Zeit:
Manche Mitstudenten besonders männliche sind schwer auszuhalten. Dazu meint Julius Bissier in seinem Tagebuch: Solange ich jung war, habe ich aus den Affekten gearbeitet – alles erschien als Äußerung des verletzten Geltungswillens. Jetzt, da ich alt bin, kann ich in oder aus dem Affekt überhaupt nichts machen, schon weil der Geltungswille mir eine der fragwürdigsten menschlichen Eigenschaften geworden ist. Was etwas ist, hat Geltung. Und umso mehr, wenn es ohne Anstrengung geworden ist – weil es aus der inneren Notwendigkeit kommt. Hier allein ist die Quelle des Gültigen.
Ich bin Organ und Krebsgeschwür, bin Blut- und Blutvergiftung, bin Haut und Fieberblase und alles was mir an mir nicht passt, möchte ich mir immer vor Augen halten, um mich nicht selbst zu betrügen mit nur einer Hälfte des Lebens.
50% der Kunststudenten - und auch ich - studieren Kunst, weil sie wissen wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält.
Ich bin nicht Malerin geworden, um besser leiden zu können, notiere ich in einem Buch.
Konnte meine Gefühle wieder nicht in Handlungen umsetzt. Aus Angst. Im äußersten Zentimeter meines Gesichts hat sich die Traurigkeit abgelagert. In jedem Bild sehe ich meine Schwächen. Mein Blick weilt am Boden, als könnte ich ständig fallen. Hab` bei Alfred Adler gelesen: Menschsein heißt sich minderwertig fühlen und nach Überlegenheit trachten. Na dann, liege ich ja in der Norm.
Arbeitsmotivation als Drang zur Anerkennung? Motivation um in Archiven zu landen und in kollektiver Erinnerung zu bleiben ? Ständige Reflexion darf die ganzheitliche Entwicklung nicht stören.
Andere wollen den effektvollsten bildnerischen Ausdruck erzielen. Fast wie in der Werbung wird das Bild auf die Sehgewohnheiten des Betrachters hin optimiert. Dabei wäre es mir unmöglich zum Bild in Beziehung zu treten.
Ambivalente Haltung gegenüber der westlichen Individualitätenschau. Andererseits kann ich meine Tendenz etwas Allgemeines auszusagen nicht verwirklichen. Es ist mir unmöglich meine Arbeiten als eigenschöpferisch zu sehen. Sie bestehen aus so vielen Einflüssen, Irritationen, Bedingtheiten, Unbewusstem.
Handeln wir alle nur umstandbedingt und unseren biologischen Trieben folgend ?
Nichts am Menschen ist so individuell wie sein Individualitätsgefühl, hab ich irgendwo gelesen. Und auch Boris Groys schreibt in seiner recht direkten Art: Der Mensch heute ist in vielem ein Opfer der Theorie von der ursprünglichen Differenz. Er ist von der Suggestion vergiftet, dass er an sich und unabhängig von irgendwelchen Anstrengungen bereits einzigartig sei, von allen anderen Menschen auf einer bestimmten außerkulturellen , authentischen Lebensweise unterschieden. Deshalb empfindet er auch ständig eine gewisse Frustration, die aus der unvermeidlichen Erkenntnis seiner tatsächlichen unüberwindbaren kulturellen Banalität herrührt. In Wirklichkeit ist aber Banalität der normale Zustand menschlicher Existenz, kulturelle Originalität dagegen das Produkt sehr spezieller Anstrengungen, deren Sinn und Zweck all denen nicht so ohne weiteres einleuchtet, die nicht professionell im kulturellen Bereich arbeiten.
Individualität wird als Ergebnis einer bestimmten Repression, Gewalt oder Einengung gesehen. Eine befreite Individualität hört automatisch auf individuell zu sein.
Daraus könnte ich schließen - Kunst ist Kompensation.
In jedem Land besuche ich die Friedhöfe, weil ich hoffe menschliche unprätentiöse Äußerungen zu finden. Ich bin sehr empfindlich in den meisten Ausstellung kann ich nicht frei atmen, so offensichtlich ist das Bemühen, die Berechnung, die Belehrung, die Schwere in den Arbeiten.
Keine Herausforderung ist so groß wie das Malen. Die ständig zu treffenden Entscheidungen beim Malen stoßen mich manchmal in eine depressive Ohnmacht. Malerei muss jedes Mal neu erlebt werden und hat für mich forschenden Charakter.
Malerei heißt Stellung beziehen. Will ich die Welt ständig interpretieren? Kann man verhindern sich ständig zu wiederholen? Die gesellschaftliche Irrelevanz von Malerei trifft mich hart.
Diplomarbeit: „Dualismus als komplementäre Einheit“ Ich habe mir das Thema nicht ausgesucht, es ist mir eigen. Innerhalb der Bilder ist Dualismus zum Beispiel als Linie gegen amorphe Farbfläche oder metaphysisches Objekt gegen Farbe des Fleisches, oder die Erscheinung der Farbe als Substanz und entmaterialisiert als Licht erkennbar. Schließlich die offene Fläche und der Konzentrationspunkt. Nichts und Etwas. Die einzelnen Bilder korrespondieren auch mit verschiedenartigen Phänomenen wie Sonne – Licht, geometrische Form – Architektur, Wasser – fließende Form, Körperliches – organisches Objekt, Geistiges – Kreise der Aufmerksamkeit.
Ständig versuche ich etwas Ganzes darzustellen, so als hätte nur ein Aspekt dieser Welt keine Lebensberechtigung. Es ist doch Ziel die Essenz zu erfassen und erst durch die Gegensätze im Bild beinhaltet es für mich Wahrheit.
Schließlich bin ich froh die massive Einflussnahme im gemeinsamen Atelier an der Hochschule zu beenden und meine Aufmerksamkeit wieder mehr nach meinen eigenen Kriterien richten zu können. Dabei hilft ein zweijähriges Stipendium nach China an die Zentralakademie in Peking sehr.
Lithos
Europa blüht schwarz. Ich habe wenig Hoffnung meine Vorstellungen in der Malerei ausdrücken zu können. Obwohl ich auch hier eine Stufe tiefer gestiegen bin, werde ich den Keller nie erreichen. Ich will Einsicht in Lebenszusammenhänge, doch erkennen kann ich wenig. Mein Schreibtisch ist voll von Büchern vom Pseudosexualverhalten eingeschlechtiger Rennechsen über Kandinsky bis Andre Gorz. Eindeutig übersteigt mein Wollen meine Kraft. Außerdem ist wohl eine Lösung des Problems Leben nicht möglich und deshalb leicht an dieser Aufgabe zu scheitern. Gottfried Benn meint, er komme endlich dahinter, dass alle großen Geister der weißen Rasse seit 500 Jahren die eigentliche innere Aufgabe darin erblicken ihren Nihilismus zu verschleiern und zu bekämpfen und auch ein Künstlerkollege bei einem Auslandsprojekt schreibt: Life has no other meaning than the one we invent for ourselves. Und wenn das so ist, sollten wir etwas befriedigend Positives für uns erfinden.
Lithos - Semiotik – Zeichensetzung
Auszug aus dem selbstverfassten Studienplan für Ägypten: Die Vorstellung jeder Gedanke, jedes Gefühl, jeder sprachliche Begriff, jede bildnerische Äußerung ist ein Zeichen für etwas begeistert mich, weil es dadurch möglich scheint verschiedene bildnerische Ausdrucksweisen unter einem gemeinsamen Aspekt zu sehen. Diese Vorstellung ermöglicht mir mich von althergebrachten Stilvorstellungen zu befreien.
Ein Auslandsstipendium kommt daher in zwei Länder mit historischen Zeichensprachen in Frage, nämlich nach Ägypten oder nach China. Die ägyptischen Gräber und Totenbücher vor der 25. Dynastie geben ein lebendiges Beispiel der Anwendung aller semiotischer Zeichen innerhalb eines schlüssigen Formkonzeptes. Die Zeichenvarianten reichen von körpernahen Darstellungen, Idealbildern und Ornamenten bis zu Individualzeichen und konventionalisierten Symbolen mit unmittelbarem Informationswert. Diese Gratwanderung ist für meine eigene Darstellungsabsicht wichtig, weil meine Bilder einerseits zu verdichteten Individualzeichen neigen, andererseits ein grundlegendes Bedürfnis nach eindeutigen Kommunikationszeichen besteht.
China
Ich weiß von keinem einflussreicheren Erlebnis meines Lebens als dem Chinaaufenthalt. Hier gelingt es die europäische Kultur zum ersten Mal sozusagen von außen zu betrachten und zu erfahren wie relativ unsere westlichen Kriterien der Kunstausübung in einem anderen Kulturkreis sind. Durch die neue Freiheit gestalte ich erstmals dreidimensionale Objekte, die mich motivieren und eine wohltuende Gelassenheit fördern. Ein Objekt entsteht aus dem anderen für viele Jahre.
Mein Interesse gilt dem Schnittpunkt zwischen Malerei und Schrift, der Beobachtung menschlichen Handelns und der daraus resultierenden Bilddarstellung und der folgenden Entwicklung von Schriftzeichen. Die selben Materialien werden für Malerei und für Kalligraphie verwendet. Schreiben und Malen wird in Chinesisch mit dem selben Wort ausgedrückt.
Und so schreibt Werner Schmalenbach in seinem Vorwort zu einem Buch über Julius Bissier zum Charakter von Tusche, östlicher Malerei und meiner Sehnsucht nicht aus dem Willen heraus zu malen: Unnötig den besonderen Charakter der Tuschen zu beschreiben. Ihr Wesen liegt in einem eigentümlichen Ineinander von Passivität und Aktivität. Passivität: die Bereitschaft des fast unwillkürlichen Reagierens auf Impulse, die nicht aus dem Willen kommen; dem Ungewollten hat Bissier stets mehr vertraut als dem Willentlichen. Zugleich aber Aktivität: die aktive Bewegung der Pinsel führenden Hand, die Entscheidung der malerischen Niederschrift, die Entscheidung in jeder Sekunde. In der Alternative zwischen beiden Polen plädiert Bissier für die Passivität, für das passive „Empfangen“ der Bilder.
Manche Tage dauern unendlich lange hier in China. Angenehm dieses Zeitgefühl, so scheint ein Leben endlos zu dauern.
Shunryu Suzuki schreibt im Buch Zen – Geist: Die Art der Praxis, die wir betonen, kann demnach nicht zu idealistisch werden. Wenn ein Künstler zu idealistisch wird, dann wird er Selbstmord begehen, weil zwischen seinem Ideal und seiner gegenwärtigen Fähigkeit eine zu große Kluft besteht. Weil es keine genügend lange Brücke gibt, die Kluft zu überqueren, wird er verzweifeln.
Ich hätte gerne einen Lehrer, der das menschliche Dasein durchschaut.
Die Malerei Chinas ist abstrakt und gegenständlich. Ein typischer chinesischer Maler war immer gleichzeitig Philosoph und Dichter. Als Teil der Natur atmet er die Natur ein und auf das Blatt wieder aus. Chinas Kunst kennt keine Entwicklung im abendländischen Sinn, weil sie ein Wesensprinzip in allen Erscheinungen darstellen möchte.
Erste Objekte
Ich sollte mehr berücksichtigen, dass meine Formwahrnehmung ziemlich gut ist und die Farbe nur eine untergeordnete Rolle spielt bzw. immer objektgebunden bleibt.
Erst ein zweijähriger Chinaaufenthalt ermöglicht mir die Betrachtung des westlichen Kulturkreises und der westlichen Kunstauffassung aus einer wohltuenden Distanz und ohne die sonstige Involvierung. Diese Freiheit erlaubt mir auch spielerisch im dreidimensionalen Bereich zu experimentieren. Erste Objekte entstehen, bald mit der Gewissheit hier weiterarbeiten zu wollen. Denn was die Malerei für mich nie konnte, nämlich meine Identifikation mit ihr zu befriedigen, das gelingt den Objekten von der Stelle weg. Da steht in den losen Blättern, die meistens Skizzen begleiten: Erst die Wahl des passenden Mediums, der korrekten Methoden, des richtigen Materials ermöglicht das Fließen.
Tierbauten und andere Konstruktionsprinzipien der Natur entstehen unmittelbar aus dem instinktiven Lebensplan eines Tieres, der hinterfragbare Intentionen nicht kennt. Der nicht gefallen will, sondern ist. Zum anderen ist das Gestaltungsprinzip nicht erfunden, sondern notwendig und durch Anpassung und Optimierung entstanden und hat daher einen unübertrefflichen Grad an Wahrhaftigkeit.
Es zählt nicht das Objekt, sondern die Vision dieses Objektes, der Vorgang des Machens und das nie eindeutig definierte Objekt. Das Objekt in seinen Möglichkeiten, in unterschiedlichen Räumen und daher in unterschiedlichen Beziehungen.
Kurzer Auszug aus einem Text von Marc Ries zu den Objekten von Beatrix Mapalagama
Eine bestimmte Art Körper wird aufgesucht, wird hergestellt, wird im Raum konstruiert. Man könnte ihn vorerst als Leerkörper bezeichnen. Dieser Körper wird als reine Oberfläche gebildet. Eine Fläche, die sich wölbt, Volumen einfasst, die einschließt, jedoch in diesem Einschließen Ein volles Außen ohne Innen: wiederum nur auf sich, auf sich selbst als Hülle, Behälter, Gefäß, Schale verweist. Auf keine innere Materie, Organ, Substanz oder Seele Bezug nimmt, nur eine Leere, ein Hohlsein, eine Durchsicht – als Negation jedweden Inhalts – vorführt. Diese Leerkörper folgen in ihrer konkreten Form verschiedenen Graden der Verdichtung, der Abstraktion dieser einen Idee einer reinen Oberfläche. Nicht so sehr um die Form als intelligible Projektion als vielmehr um die reale Fläche, um die Oberfläche in ihrer materialgerechten Ausbildung und Strukturierung bemühen sich die Objekte von Beatrix Mapalagama.
Und vielleicht ist der Wandvorhang aus Kamelknochen der offensichtlichste Beitrag, diesen Begriff einzulösen. Die absolute Gewissheit einer Antiproduktion, die Sicherheit, dass sich nichts Unbekanntes „dahinter“ verbirg: zerschnittene Knochen, Knochenscheiben, Gerüst, Skelett.
Die Ballone waren ursprünglich Kondome, deren Transformation in der künstlerischen Praxis diese auf ihre bloße Materialität und Gestalt reduziert hat, jede gesellschaftliche Konnotation des Primarobjektes vermeidend (Materialangabe: Latex). Dieses Stilprinzip könnte man als die präsignifikative Gebrauchsästhetik der B.M. bezeichnen.
Katatonisch sind all diese Körper, insofern sie ihr Spannungsirresein als latenten Dualismus sich einander widerstreitender Kräfte auf ihrer jeweiligen Oberfläche austragen. Damit auf den Antagonismus in der Idee, als grundgelegte Idee der Kreation an sich verweisen. Zunächst der ewige Konflikt der Zweiheit: Druck und Gegendruck, Zerplatzen, spannen und entspannen, Zerreißen, voll und leer, Ausfließen, flach und spitz, Schneiden... Das Spannen, Ver- und Entkrampfen hat noch einen anderen motivischen Ort. Jener Ort, der sich auch maßgeblich als das veränderte Werkbewusstsein von Beatrix Mapalagama zu erkennen gibt. Das Auflösen der Malerei zugunsten der Objektkunst verläuft über eine Redefinition der Hand. Diese war im Bildzusammenhang ein ausführendes Organ des Auges, einer form- und farbbewussten Gestaltgebung. Mit den Objekten erst löst die Hand ihre wesentliche Natur ein. Während Auge und Ohr bloß verschlingen, aber nicht ergreifen können, vermag die Hand zugleich zu empfinden, zu begehren und zuzupacken 2 . Mit dieser Verbindung aus sensorischem und motorischem Vermögen vollführen die Bewegungen der Hand jene gegensätzliche Operation, einer Raumbildung ohne Raum, einer Körpererzeugung ohne Organ, eines vollen Außen ohne Innen.
2 einer Reflexion von Max Raphael folgend. Siehe: Max Raphael, Aufbruch in die Gegenwart, Frankfurt/Main 1989, S.123f
Erste Papierobjekte und allgemeine Texte
Obwohl mein Mann zwei Jahre in Karenz bleibt, fällt mir die Umstellung auf das Muttersein maßlos schwer. Meine einzige freie Zeit nützte ich zum Lesen und da stoße ich auf ein Gebiet, das ich zum Teil schon lange kenne. Dieses Mal erkenne ich aber die Dimension dieses Mediums für mich. Praktische Experimente begleiten das Lesen und plötzlich habe ich das Gefühl, nein die Gewissheit alles Vererbte, Gelernte und Eigene einbringen zu können. Die planerischen Fähigkeiten meines Vaters, die erfolgreichen gewerblichen Wurzeln meiner Mutter, mein Interesse an Ethnologie, meine Kunstausbildung, mein Bedürfnis theoretisch und praktisch, sowie bildnerisch und angewandt zu arbeiten, meine Vorliebe für recycelbare Materialien, all das konnte zusammenfinden und war auf diesem Gebiet einsetzbar.
Durch die Arbeit mit einem natürlichen Material stellt sich ein anderer Naturbezug ein. Das Gebiet ist groß genug um auch den Schwerpunkt verlagern zu können, und mein Umfeld wird nicht mehr ausschließlich von Künstlern bestimmt, sondern von Pflanzenbauern, Papierchemikern, Papiertechnologen, Papierhistorikern, Papierkünstlern, Papiermachern auch fremder Kulturen, Ecodesignern und Vertretern der Papierindustrie oder der Papiermuseen. Die Kommunikation wird einfacher. Papier in irgend einer Weise kennt jeder.
Thich Nhat Hanh ein bekannter Zen Meister sagt über das Wesen von Papier in seiner Schrift „The Heart of Understanding“: „So we can say that everything is in herewith this sheet of paper. You cannot point out one thing that is not here – time, space, the earth, the rain, the minerals in the soil, the sunshine, the cloud, the river, the heat. As thin as this sheet of paper is, it contains everything in the universe in it.”
Mit der Zeit und durch teilweise sehr intensives Arbeiten erkenne ich, dass im westlichen Kulturraum, Papier durch die fast ausschließliche Verwendung als Druckträger nie seine Eigenschaften ausspielen konnte, wie sehr sich das asiatische Bewusstsein in der Pflanzenwahl, den Werkzeugen und dem Endprodukt vom europäischen unterscheidet, dass Papier fast jede Form annehmen kann, dass Papier als künstlerisches Thema weltweit verbreitet ist, dass Papier als Kostbarkeit und als Wegwerfprodukt gesehen werden kann und dass es als leer und gegenstandslos oder als entgütige Aussage wahrgenommen werden kann, wenn man es als Endprodukt eines künstlerischen Prozesses versteht.
Die vorangegangenen Arbeiten haben eine wichtige Gemeinsamkeit mit Papier. Därme, Knochen und Papier brauchen oft zeitintensive Arbeitsschritte, um vom Schlachthof oder vom Feld zu einem fast sterilen Kunstobjekt zu werden. Besonders das Kochen und mehrmalige Waschen entspricht vermutlich einem Selbstreinigungsbedürfnis und so ist die Prozesshaftigkeit ein wichtiger Teil dieser Arbeiten.
Manchmal stellen sich natürlich auch sehr persönliche Fragen oder es stellen sich Überzeugungen ein wie: Eigentlich wollte ich ja immer ausschauen wie eine Intellektuelle, aber habe ich zuviel nachgedacht oder werde ich alt ?
Ein chaotisches System ist jenes, das bei der kleinsten Veränderung völlig unvorhersehbar reagiert. Bin ich ein chaotisches System ?
Durch die Geburt meiner Tochter, meine langjährige Partnerschaft und den Tod meiner Mutter, habe ich langsam gelernt, dass die Ereignisse des Lebens viele lebensnotwendige Erfahrungen von selbst bringen, vorausgesetzt man entzieht sich ihnen nicht.
Der erste von Menschen verehrte Gott, war eine Göttin und die Geschichte fängt nicht beim Patriarchat an.
Werde ich jemals einem Nie mehr gelassen gegenüberstehen ?
Ich bin Freundin, Frau, Mutter, Tochter, Künstlerin,... und habe in keiner „Rolle“ etwas zu verlieren.
Es ist wirklich war, was die indische Lehre schon immer wusste: Erkenne zuerst, dass deine Welt nichts anderes ist als die Spiegelung deiner selbst und halte ein, die Fehler in der Spiegelung zu suchen.
Ich war heute beim Rochusmarkt einkaufen. Da steht ein junger Mann mit einem Bücherstapel und möchte mir unbedingt ein Buch schenken. Er hat eine vorurteilsfreie Stimme und ist fast durchsichtig, wenn er spricht, er ist ein Anhänger Krsnas. Ich nehme ein Buch und bedanke mich. Da steht es wieder geschrieben. Jeder versucht von Gott (= Vater = Krsna = Natur) auszubrechen. Es gibt mehrere Arten Dummköpfe, die sich dem Vater nicht ergeben. Es gibt aber kein erfülltes Leben abseits oder im Widerspruch zur Natur.
Er sah seines Freundes Siddhartha Gesicht nicht mehr, er sah statt dessen andere Gesichter, viele, eine lange Reihe, einen strömenden Fluss von Gesichtern, von Hunderten, von Tausenden, welche alle kamen und vergingen, und doch alle zugleich dazusein schienen, welche alle sich beständig veränderten und erneuerten, und welche doch alle Siddhartha waren. Er sah das Gesicht eines Fisches, eines Karpfen, mit unendlich schmerzvoll geöffnetem Maule, eines sterbenden Fisches, mit brechenden Augen – er sah das Gesicht eines neugeborenen Kindes, rot und voll Falten, zum Weinen verzogen, er sah Leichen ausgestreckt, still, kalt, leer - ...Er sah alle diese Gestalten und Gesichter in tausend Beziehungen zueinander, jede der anderen helfend, sie liebend, sie hassend, sie vernichtend, sie neu gebärend, jede war ein Sterben wollen, ein leidenschaftlich schmerzliches Bekenntnis der Vergänglichkeit, und keine starb doch, jede verwandelte sich nur, wurde stets neu geboren, bekam stets ein neues Gesicht,.....
Und so sah Govinda, dies Lächeln der Maske, dies Lächeln der Einheit über den strömenden Gestaltungen, dies Lächeln der Gleichzeitigkeit über den tausend Geburten und Toden, dies Lächeln Siddharthas war genau dasselbe, war genau das gleiche, stille, feine, undurchdringliche, vielleicht gütige, vielleicht spöttische, weise, tausendfältige Lächeln Gotamas, des Buddhas, wie er selbst es hundertmal mit Ehrfurcht gesehen hat. So wusste Govinda, lächelten die Vollendeten. Aus Hermann Hesse „Siddhartha“
2004 schreibt A. Prof. Mag. Sophie Geretsegger, Kunsthistorikerin an der Universität für angewandte Kunst u.a. folgenden Text mit dem Titel „Zeitexperiment“:
Beatrix Mapalagama ist eine Künstlerin der Form. Ihr Ausbildungsweg war vielfältig und voller Neugier. Auch an ihm ist abzulesen, wie wichtig ihr das Bewegen in sowohl räumlichen als auch zeitlichen Dimensionen ist.
Sie ist auf das Material Papier gestoßen. Papier das üblicherweise der Träger für Etwas ist, die Zweidimensionalität erfordert. Diese Forderung erfüllt Mapalagama kaum, sie erzeugt Bildträger, die so weit die Dreidimensionalität berühren, dass sie kein Bild, keine Linie mehr tragen können, dass sie für sich selbst stehen.
Es geht ihr nicht um die krampfhafte Bewahrung eines alten Handwerks oder die Anprangerung hoch technisierter Abläufe, sondern um das Transponieren von Prozessen in Form, etwa das Aufgliedern von Produktionsfolgen vom Rohstoff bis zum Endprodukt. Papier machen sieht sie als Teil vieler Möglichkeiten formale künstlerische Bedingungen zu analysieren. Jede Arbeit ist auch eine Forschungsreihe, um Erkenntnis zu gewinnen, in wie weit formale künstlerische Prämissen im Material angelegt sind.
Die haptische Materialität ihrer Papiere führte kontinuierlich und stringent zu immer objekthafteren Umsetzungen. Sie bezeichnet sich selbst als Spielmensch und erobert sich Spielräume, die weit über das Blatt hinausgehen. Sei es in ihren Fäden-Bildern oder mit ihrem Abriss-Objekt, das mit maschinellen Fertigungsprozessen, wie auch mit unseren ,wisch und weg´ Bedürfnis interagiert.
„Bedruckt – benutzt – beschmutzt“ oder „schaffen – benutzen – wegwerfen“ sind Wortkombinationen mit denen Mapalagama unseren heutigen Umgang mit Papier, seine Erzeugung und seinen Status assoziiert.
Mapalagama will keine absoluten Aussagen treffen, sondern experimentiert mit Lösungsversuchen. Die Flexibilität des Material bezeichnet sie als Möglichkeit des ständigen Wiederaufladens. Jede neue Arbeit erzeugt neue Spannungsverhältnisse und unterliegt anderen materiellen Qualitäten und bewusst überlegten formalen Notwendigkeiten.“
Die Papierherstellung ist das älteste Recyclingverfahren. Es wurden in China schon vor Christus spezifische Abfälle zu Papier verarbeitet. Dass Papier erlaubt, mit großer gestalterischer Freiheit und ohne Abfall zu arbeiten, ist für mich eine wesentliche Voraussetzung für einen persönlich befriedigenden und zeitadäquaten Arbeitsprozess.
Obwohl ich planerisch immer fleißig tätig bin, sind mir langfristig entscheidende Erfahrungen ungeplant passiert.
Ich habe zunehmend das Gefühl, ich sollte dem was mir alltäglich begegnet mehr Aufmerksamkeit schenken. Natürlich ist es wichtig Bücher zu lesen, in Ausstellungen zu gehen usw., aber wenn der Weg da ist, manchmal sogar zu einem kommt, ist es irritierend allgemeine Weisheiten oder individuelle Wahrheiten zu lesen, zu hören,... Wenn das Wahrnehmungsvermögen komplex genug geworden ist und sich zu einem Ganzen findet und scheinbar jede Begegnung weiterhilft, warum noch außerhalb suchen?